Privatarchiv | Schön, Angelika |
Bezugsorte | Basel, Berlin-Ost, Braunsdorf, Denstedt, Erfurt, Jena, Naumburg, Stendal, Suhl, Weimar |
Umfang | 3 lfm., Fotosammlung |
Zeitraum | 1980 – 90 |
Stichworte | |
Erschließung | Datenbank |
Signatur | P-SA |
Angelika Schön (Jg. 1959) gehört ab Mitte der 1980er Jahre trotz ihrer katholischen Konfession zu den zentralen Organisatoren oppositioneller Friedens-, Umwelt- und Basisgruppenarbeit der Offenen Arbeit (OA) der Evangelischen (Ev.) Kirche in Thüringen. Der erste Kreis, in dem Schön regelmäßig mitarbeitet, ist der Denstedter Friedenskreis, der sich ab 1984 um Pfarrer Horst Laube gründet. Hier werden in wöchentlichen Treffen Bildungskonzepte und Kinderbücher diskutiert und ab 1985 die Arbeitsergebnisse mittels einer Ausstellung „Das Kinderbuch – ein Mittel zur Friedenserziehung“ an interessierte Kirchgemeinden weitervermittelt. Das Konzept zur Ausstellung sowie eine Bücherliste sind neben weiteren Materialien aus der Friedenserziehung Bestandteil der Sammlung.
Da der Versuch der Etablierung einer laufenden OA der Weimarer Basisgruppen an der Suche nach Räumlichkeiten scheitert, entsteht 1985 die Idee für ein Thüringer Basisgruppenseminar unter Aktivierung von Personen aus dem ehemaligem Friedenskreis der Ev. Studentengemeinde (ESG) Weimar. Überliefert sind etwa ein Gruppenbild in der ESG Weimar von 1985 sowie das Notizheft Schöns zur Basisgruppenarbeit und den ESG-Treffen von 1988. 1986 nimmt Schön erstmals am jährlich stattfindenden DDR-weiten Basisgruppenseminar „Frieden Konkret“ in Stendal teil und wird sogleich zur Thüringer Basisgruppenvertreterin in dessen Fortsetzungsausschuss gewählt. Die Arbeitshefter Schöns enthalten Korrespondenzen und Arbeitstexte zu den Seminaren in Stendal, Leipzig und Cottbus (1986-1988) und bilden sowohl die fortschreitende Politisierung christlicher Basisgruppen als auch die Einbindung des Netzwerkes Frieden Konkret in den Konziliaren Prozess der Kirchen in der DDR ab.
Daneben nimmt Schön an den mobilen Friedensseminaren in Mecklenburg teil. Von dort stammen Arbeitstexte von Martin Gutzeit, Markus Meckel und Schön („Hunger und Reichtum“, 1988). Nachdem in Mecklenburg im Sommer 1987 Personen aus der Friedensbewegung der Bundesrepublik für den europaweit geplanten Olof-Palme-Friedensmarsch werben, wird die Idee vom „Offenen Gesprächskreis“ der Weimarer Gruppen aufgegriffen. Am 19. September 1987 beteiligen sie sich mit eigenen Plakaten und einer Andacht in Buchenwald an der von der Christlichen Friedenskonferenz angemeldeten Route. Erhalten sind die „Peace Fiction“ Schöns, vorgetragen zur Andacht in Buchenwald, sowie ihr Erlebnisbericht.
Im Mai 1987 unterzeichnen die Städte Weimar und Trier eine offizielle Städtepartnerschaft. Nach einer Idee der Menschenrechtsgruppe Weimar und des Denstedter Friedenskreises, organisiert Schön mit weiteren Weimarer Oppositionellen eine Städtepartnerschaft von Unten. Überliefert sind Korrespondenzen sowie ein Bericht zum ersten Begegnungswochenende mit Mitgliedern der Trierer Arbeitsgruppe Frieden vom 14. bis 16. Oktober 1988 in Weimar.
Im Sommer 1988 beteiligt sich Schön aktiv am Versuch der Organisation einer Offenen Arbeit in Weimar zum Ev. Kirchentag „Umkehr führt weiter“ in Erfurt. Dokumentiert sind beispielsweise das Konzept der Weimarer Arbeitsgruppen und das Kirchentagsprogramm. Auch Schöns „Zeugnis der Betroffenheit“, erarbeitet für die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in der DDR und öffentlich vorgetragen im Jugendgottesdienst des Kirchentages auf dem Domplatz in Erfurt, ist hier enthalten.
Dass Schön auf Grund Ihres oppositionellen Engagements in das Visier des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gerät, ist ihr spätestens seit 1986 – ihrer Nominierung als Thüringer Basisgruppenvertreterin – bewusst. Am 26. Januar 1988 kommt es im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen Stephan Krawzcyk nach § 100 StGB (staatsfeindliche Verbindungen) zur Hausdurchsuchung bei Schön. Neben Unterlagen des MfS aus Schöns Akteneinsicht sind Notizen, Korrespondenzen und Beschwerden Schöns, welche sich vor allem auf die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände beziehen, überliefert.
Gegen Ende der 1980er Jahre entstehen neue Konfliktfelder zwischen oppositionellen Basisgruppen und der Thüringer Landeskirche. Beispiel hierfür geben die Korrespondenzen von Ulrich Töpfer und Schön – als Thüringer Vertreter von „Frieden Konkret“ – mit Vertretern der Landeskirche bezüglich der Anstellung eines Kirchlichen Umweltbeauftragten. Zwar ist dessen Anstellung im November 1988 die konkrete Umsetzung einer Forderung von „Frieden Konkret“, jedoch werden die Basisgruppenvertreter nicht bei der Auswahl der Personalie einbezogen. Am 3. Dezember 1988 stellt die Konferenz der Kirchenleitung des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR (BEK) eine „Ad-hoc-Gruppe“ – darunter Schön – für die Erarbeitung von Orientierungshilfen für das Miteinander von Kirche und Gruppen zusammen. Ein Arbeitshefter enthält neben Übersichten über Basisgruppen und Thüringer Basisgruppentreffen, Protokollen, Korrespondenzen und Konzepten auch eine Synodaleingabe Schöns zur Gestaltung der Stelle eines Basisgruppenbeauftragten für Thüringen. 1989 wird Schön auf Vorschlag des Weimarer Basisgruppentreffens in die Delegation des BEK zur „Zukunftswerkstatt Europa“ der Europäischen Versammlung Basel vom 15. bis 21. Mai 1989 aufgenommen. Hierzu sind unter anderem Korrespondenzen aus der Reisevor- und Reisenachbereitung, das Konzept und die Materialsammlung für einen Informationsstand zur Vorstellung der Friedensarbeit der OA in Thüringen sowie Fotografien aus Basel überliefert.
Weitere Materialsammlungen dokumentieren vielfältige überregionale Kontakte zu oppositionellen Gruppen der Jahre 1987 bis 1989. Bestandteil sind beispielsweise Konzepte der OA in Thüringen wie der Jungen Gemeinde Stadtmitte Jena, des Leseladen Jena oder des Braunsdorfer Pfarrers Walter Schilling. Weiterhin enthalten ist Schöns Dokumentation der Verhaftung von Ausreiseantragstellern in der Stadtkirche Weimar am 4. Dezember 1988 oder die Erklärung von Uta Lemke/AKSK Thüringen zur Ausreiseproblematik. Ein Arbeitshefter Atomkraft (1986-1989) mit Material von „Frieden Konkret“ und der Umweltbibliothek Berlin, Material der Arbeitsgruppe Luft der OA Erfurt, Korrespondenz zu Eingaben von Schön und Jörg Wilker an das BEK betreffs Aufruf und BEK-Antrag „Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“ (1987-1988) oder der Aufruf des Friedenskreis Naumburg zur Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen in der DDR (1988) befinden sich ebenfalls in der Sammlung. Ein Querschnitt von politischem Samisdat zu Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsfragen in der DDR und Osteuropa (1984-1989) umfasst zumeist Samisdat von Berliner Gruppen aber auch das „Erfurter Filterpapier“ vom Ökumenischen Luftseminar (1989), das „Erfurter Schlagloch“ der KvU Erfurt/Berlin (1989) sowie Ausgaben des „Grenzfall“ der Initiative für Frieden und Menschenrechte (IFM) Berlin (1987-1989) und die „Grenzfall“-Einzelausgabe der IFM Suhl (1989).