Privatarchiv | Grund, Thomas |
Bezugsorte | Berlin-Ost, Eisenach, Jena, Rudolstadt |
Umfang | 4 lfm. |
Zeitraum | 1964 – 2011 |
Stichworte | |
Erschließung | Datenbank |
Signatur | P-GT |
Thomas Grund, 1953 in Jena geboren, gehört ab den 1970er Jahren zu den Akteuren der Offenen Arbeit (OA) der Jungen Gemeinde (JG) Stadtmitte Jena. Den Kernbestand der Sammlung bilden Materialien der JG Stadtmitte Jena aus den 1970er und 1980er Jahren. Kirchliche Amtskalender von Grund, Positionspapiere, Veranstaltungsinformationen und gesellschaftskritische Text- und Lyriksammlungen verdeutlichen deren Themen und Aktionen. Die umfangreiche Fotosammlung dokumentiert Veranstaltungen, Aktionen, Konzerte, Feiern, Wanderungen, Radtouren, Tramptouren und Reisen der JG. So sind beispielsweise auch Fotodokumentationen der von der JG aufgeführten gesellschaftskritischen Theaterstücke von Thomas Neubauer aus den 1970er Jahren enthalten.
Magnettonbänder, Kassetten und Super-8-Filme beinhalten Ton- und Bildmaterial, welches Grund im Rahmen der OA Jena und der OA Thüringen in den 1970er und 1980er Jahren aufnimmt und über sein Mitte der 1980er Jahre gegründetes Label Hinterhofproduction (HP) Jena verbreitet. Filmaufnahmen aus der OA Jena sind „Prediger in der Wüste“ (Taufkreises Jena, M. Stanescu), „Von einem der auszog…“, „Hartroda“, „Jena“, „Der Augenzeuge“ und „Piss for Peace“. Konzert- und Proberaummitschnitte der Punk-, Independent-, Blues- und Liedermacherszene enthalten „Kuno“ (Christian Kunert), „Ulysses“, „Pastor“, „Wind, Sand und Sterne“, „Airtramp“, „Antitrott“, „Pasch“, „Montagsband“, „Gefahrenzone“, „Die Fanatischen Frisöre“, „Sperma Combo“, „Die Chaoten“, „Ulrike am Nagel“, „Kalabatek Exzek“, Karsten Troyke und Götz Lindenberg. Aber auch Veranstaltungsmitschnitte zu den Jugendgroßveranstaltungen der OA Saalfeld/Rudolstadt „JUNE 79“ und „Jugend 86“ oder zur Friedensdekade 1985 konturieren unangepasste Musik- und Jugendkultur in der DDR.
Grund beginnt 1981 eine Ausbildung zum Jugenddiakon im Burckhardthaus Berlin und ist von 1982 bis 1991 als Kirchensteuerkassierer im Dienst des Evangelisch-Lutherischen (Ev.-Luth.) Kirchenkreises Jena tätig. So bildet der Vorlass von Grund auch einzelne Prozesse und Inhalte der sozialdiakonischen Jugendarbeit der Ev.-Luth. Kirche in der DDR der 1970er bis 1980er ab. Im Bestand überliefert sind kirchliche Arbeitspapiere, Informationsmaterialien und Geschäftsunterlagen der Kirchengemeinde Jena, Materialmappen zu den Friedensdekaden der Ev.-Luth. Kirche (1987-1989), Texte zu Frieden, Abrüstung und Ökumene – aber auch Konzepte, Positionsbeschreibungen und Korrespondenzen aus den Jahren 1982 bis 1985, welche Einblick in die Diskussionen um die Verortung der OA innerhalb der sozialdiakonischen Jugendarbeit geben.
In vielfältigen Auseinandersetzungen mit staatlichen Einrichtungen und Behörden engagiert sich Grund gegen Diskriminierung und Kriminalisierung Jugendlicher im DDR-Alltag. Dieser Einsatz geht besonders aus einer umfangreichen Sammlung mit Eingaben, Beschwerden, Ordnungsstrafen sowie Gedächtnisprotokollen zu polizeilichen Übergriffen in Jena und Saalfeld aus den Jahren 1971 bis 1988 hervor.
Eine kleine Plakatsammlung (1987 bis 1989) entspringt Grunds Verbindungen zu den Gruppen „Kirche von Unten“, „Leseladen Jena“ und „Künstler für Andere“.
1976 wird Grund während der Jenaer Ereignisse um die Biermann-Ausbürgerung zur Mitarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gedrängt. 1982 gelingt ihm mit Unterstützung von Freunden innerhalb der Kirche der Ausstieg. Im Jahr 1985 eröffnet das MfS einen Operativen Vorgang (OV) gegen Grund, ein weiterer OV folgt 1988. Die Aufarbeitung und Auseinandersetzung von Grund mit diesem Teil seiner Biografie ist in Interviews und umfangreichem Forschungsmaterial, welches unter anderem aus der Mitarbeit an der Publikation des ThürAZ „Die Andere Geschichte. Kirche und MfS in Thüringen“ stammt, im Bestand enthalten. Eine Studie zur Geschichte der JG Stadtmitte Jena ab 1968 stellt die Material- und Interviewsammlung „JG-Heft“ von Grund aus dem Jahr 1996 dar. 1994 ist Grund an der Gründung des Matthias Domaschk Archiv – heute Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ (ThürAZ) im Verein Künstler für Andere – beteiligt. Hier sind Satzungsentwurf, Mitgliederlisten, Zeitungsartikel und Arbeitsprotokolle überliefert.